Mit mehr Spaß zu schnellem Erfolg kommen – das versprechen viele Hilfsmittel und Geräte auch für die Kräftigung der Beckenbodenmuskulatur. Klingt verlockend, doch können all die Angebote, die im Internet und in den sozialen Medien auftauchen und so fantastisch klingen und beworben werden, das halten was sie versprechen?
Ein kleiner Überblick
Das Angebot an Hilfsmitteln und Geräten zur Beseitigung von Inkontinenz und zur Beckenbodenkräftigung ist groß. Es gibt Beckenbodenkugeln, auch bekannt als Liebeskugeln, es gibt Vaginalkonen, mit verschiedenen Gewichten, Reifen aus dem Pilates, die zwischen die Beine geklemmt und zusammengedrückt werden, Trampoline, Vibrationsplatten, Gymnastikbälle, Edukator, Fitnessgeräte, Elektro- und Biofeedbackgeräte mit Vaginalsonden, Apps und vieles mehr. Manches davon ist Unsinn, manches ist gut, besonders als Ergänzung zur Therapie oder auch bei leichteren Problemen.
Training für Beine und Po
Auf Facebook hatte ich in letzter Zeit wieder häufig Werbung für ein Gerät, dass angeblich super gut gegen Inkontinenz hilft und automatisch den Beckenboden kräftigt. Der Name ist Butt-Trainer – und dieser Name sagt eigentlich auch schon, was das Teil tatsächlich macht – es trainiert den Po. Das Ding sieht ein bisschen aus wie eine Klemme oder ein Schmetterling, wird zwischen die Beine geklemmt und dann zusammengedrückt, in dem man eben den Po zusammenzwickt. Ähnliches macht man mit dem Pilatesring, wobei da mehr die Adduktoren der Beine gekräftigt werden, also die Muskeln, die sich an der Innenseite der Beine befinden.
Warum wird dann behauptet das würde den Beckenboden kräftigen?
Wie ich auch im Artikel über die Kräftigung des Beckenbodens erklärt habe, reagiert ein gesunder und gut reaktionsfähiger Beckenboden automatisch auf Belastung und baut jeweils so viel Spannung auf, wie nötig ist, um dem Druck, der bei Belastung im Bauchraum entsteht Gegenhalt zu bieten. Egal, ob wir etwas Heben und Tragen, ob wir Husten oder Niesen oder uns eben beim Sport anstrengen, der Beckenboden macht automatisch mit. Wenn er das gut kann, hat man normalerweise allerdings auch keine Beschwerden und Probleme mit diesem Bereich. Wenn er geschwächt ist oder eben nicht adäquat reagieren kann, dann spannt er sich auch bei solchen Übungen nicht automatisch an, so dass er weder automatisch gekräftigt wird, noch die Probleme einfach so verschwinden werden.
Voraussetzungen für die Beckenbodenkräftigung
Bei einer Schwäche oder einer verminderten Reaktionsfähigkeit des Beckenbodens, welche bei einer Senkung oder Inkontinenz in den meisten Fällen vorhanden sind, ist die Wahrnehmung für die Aktivität der Muskulatur die wichtigste Voraussetzung für eine erfolgreiche Kräftigung. Zudem braucht es eine gute Koordination zwischen Atmung und Beckenboden und der Druck im Bauchraum darf sich bei Anstrengung nicht zu sehr erhöhen. Wer seinen Beckenboden gut spüren und gut aktivieren kann oder wessen Beckenboden wirklich automatisch auf Belastung reagiert, der kann fast jede Form von Übung und Sport machen. Ob eine Belastung zu hoch ist, hängt nur davon ab, ob Beckenboden und Atmung noch adäquat dabei sind. Bei einer Schwäche gilt es erstmal zu lernen den Beckenboden zu spüren und ihn dann noch ohne weitere Belastungen zu aktivieren. Dann kann die Belastung Stück für Stück gesteigert werden.
Trampolin und Vibrationsplatte
Auch Trampolinspringen wird immer wieder als Beckenbodentraining beworben und es gibt viele kleine Trampoline für zu Hause zu kaufen, mit denen das Training angeblich besonders viel Spaß macht und nur 10 Minuten täglich dauert. Hier ist das Problem dasselbe, wie eben beschrieben. Ist der Beckenboden richtig fit, dann ist er beim Trampolinspringen aktiv. Wenn jedoch eine Schwäche oder gar eine Senkung vorliegt, dann ist das nicht unbedingt empfehlenswert und kann eine bestehende Problematik sogar verschlechtern. Vibrationsplatten gibt es ebenfalls viele auf dem Markt. Auch hier soll es zu einer automatischen Kräftigung kommen. Wenn nur eine leichte Schwäche besteht, bzw. der Beckenboden bewusst mit aktiviert wird, kann es eine Ergänzung sein. Hierfür würde ich eine gute Anleitung durch eine spezialisierte Physiotherapeutin empfehlen, um eine negative Auswirkung durch falsches Üben zu vermeiden.
Kugeln und Konen
Beckenbodenkugeln gibt es in verschiedenen Varianten. Einzeln und eher oval oder rund oder zwei miteinander verbundene Kugeln, mit oder ohne beweglichem Gegengewicht im Inneren. Kaufen kann man sie nicht mehr nur in Erotikshops oder im Internet sondern vielerorts auch im Drogeriemarkt. Sie werden in die Vagina eingeführt und liegen quasi auf dem Beckenboden. Durch ihr Gewicht sollen sie die Muskulatur stimulieren aktiver zu sein. Deshalb werden sie auch verwendet, während man in Bewegung ist. Für manche Frauen können sie eine gute Ergänzung zum Training sein, sie können aber nicht alle Übungsvarianten ersetzen. Wenn eine deutliche Schwäche besteht, dann ist die Verwendung leider oft frustrierend, weil die Kugeln sich nicht im Inneren des Körpers halten lassen, sondern einfach herausgleiten. Wer super fit ist, merkt vielleicht gar nicht, dass er die Kugeln trägt und hat folglich auch keinen großen Effekt. Und wer eine zu hohe Spannung in der Beckenbodenmuskulatur hat, zu Verkrampfung des Beckenbodens neigt oder sogar Schmerzen hat, für den kann sich die Benutzung sogar negativ auswirken. Noch deutlicher sind die selben Effekte bei der Verwendung von sogenannten Konen. Diese kleinen Gewichte, die oft eine Zapfenform haben, sie wiegen zwischen 20g und 110g und werden ebenfalls in die Vagina eingeführt. Dort müssen sie dann aktiv durch Anspannung der Beckenbodenmuskulatur gehalten werden. Die Gefahr einer Verkrampfung der Muskulatur ist hierbei noch deutlich größer, als bei den Kugeln, die Verwendung ist deshalb nicht für jeden ratsam. Ich empfehle auch hier, bei Problemen mit dem Arzt reden, sich gut beraten zu lassen und im Zweifelsfall zusammen mit einer spezialisierten Physiotherapeutin herauszufinden, welche Probleme genau bestehen, was die Ziele der Therapie sind und welche Übungen und/oder welche Hilfsmittel hierfür geeignet sind.
Elektrotherapie und Biofeedback
Geräte zur Elektrotherapie und mit Biofeedbackprogrammen sind teilweise verordnungsfähig. Das heißt der Gynäkologe, der Urologe oder der Proktologe (und natürlich auch die Gynäkologin, die Urologin und die Proktologin) können diese Geräte für zu Hause verordnen. Es gibt außerdem verschiedene Geräte frei zu kaufen. Viele neuere Geräte lassen sich sogar per App über Tablet oder Smartphone bedienen, was sie sehr attraktiv und angenehm in der Handhabung macht. Ich empfehle, vor Benutzung dieser Geräte mit dem Arzt zu sprechen und wenn Probleme im Bereich des Beckenbodens bestehen, erst sicher zu stellen, dass Wahrnehmung für den Beckenboden vorhanden ist und ein Training der Muskulatur das richtige Mittel zur Beseitigung der Probleme ist. Mehr Spannung ist nicht in jedem Fall hilfreich. Die Wahrnehmung wird durch die Verwendung zwar mit geschult, jedoch kann es ohne Anleitung trotzdem zu Schwierigkeiten in der Umsetzung kommen. Als Ergänzung zur Therapie sind sowohl die Elektrotherapie als auch das Biofeedback oft eine gute Möglichkeit.
Apps
Apps gibt es mittlerweile für fast alles und natürlich auch für das Beckenbodentraining. Die Kosten sind unterschiedlich hoch, manche gibt es gratis, manche werden sogar von den Krankenkassen übernommen. Die Qualität ist ebenfalls unterschiedlich, richtig überzeugt hat mich bisher keine. Eine konkrete Empfehlung kann ich auch nicht geben. Wer eine tägliche Erinnerung hilfreich findet, um regelmäßig zu üben, für den kann eine App gut sein. Es gibt Varianten mit immer wieder wechselnden Übungen und solche, die sich auf wenige Übungen beschränken, diese aber in der Intensität und Wiederholungszahl steigern. Pelvina wird zum Beispiel in Deutschland von vielen Krankenkassen gezahlt, wenn man das Programm bis zum Ende mitmacht. Sie beeinhaltet ein bisschen Theorie über den Beckenboden und verschiedene Übungen. So gut, wie ein Kurs wie die Beckenbodenschule®, ist sie nicht und auch keinesfalls Ersatz für eine Therapie. In Großbrittanien empfiehlt der National Health Service (NHS) eine App namens Squeezy, die sich auf zwei Kräftigungsübungen beschränkt. Diese App empfiehlt den Nutzern, sich bei größeren Problemen an eine spezialisierte Physiotherapeutin zu wenden, dem kann ich mich nur anschließen.
Fazit: Gut oder schlecht?
Ein Vorteil von Geräten und Apps gegenüber dem klassischen Beckenbodentraining nur mit Übungen ist sicherlich der höhere Aufforderungscharakter. Es ist für viele Menschen attraktiver mit einem Gerät oder einer App zu üben als ohne. Dieser Effekt ist jedoch meist nur von kurzer Dauer. Nachdem die Kosten für viele dieser Hilfsmittel relativ hoch sind, sollte man sich vor einer Anschaffung also nicht nur überlegen, ob es sinnvoll ist und man damit das erreichen kann, was man braucht, sondern auch, was für ein Typ man ist, was man also braucht, um mit dem Training dran zu bleiben. Schneller geht das Training übrigens mit keinem dieser Geräte. Kraftaufbau braucht adäquates Training, das intensiv genug ist, regelmäßig und konsequent gemacht wird und das über eine längere Zeit absolviert wird. Physiologische Abläufe im Körper, wie der Aufbau von Muskelkraft und Muskelmasse, lassen sich nicht durch Geräte beschleunigen, sondern höchstens unterstützen. Und zusätzlich sollte der Beckenboden immer auch lernen, in Alltagssituationen seine Funktion wieder zu erfüllen. Individuell sind diese Hilfsmittel eben nicht.
Lucia Sollik Physiotherapeutin Beckenbodentherapie
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