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Hula Hoop – voll im Trend! Aber taugt es wirklich als Fitnesstraining und ist es nun gut oder schlecht für den Beckenboden?

Als ich Kind war, war Hula Hoop auch gerade ‚in‘. Wir haben in meiner Erinnerung stundenlang die Reifen um unsere Hüften kreisen lassen. Und je bunter die Reifen waren desto cooler. Am aller schönsten fand ich Reifen, die mit Wasser und Glitzer gefüllt waren. Und auch noch früher gab es wohl bereits eine heiße Hula Hoop-Phase, bei der jung und alt mitmachten. Die ganz frühen Reifen waren wohl eher denen ähnlich, die wir alle aus der Schule kennen, nämlich aus Holz.

Die neuen Reifen sind jedoch ganz anders, in erster Linie, weil sie viel schwerer sind. Zwischen 800 g und 3kg ist alles erhältlich. Wobei es auch die leichteren ‚Tanzreifen‘ nach wie vor gibt, die höchstens auf 300 g kommen. Mit den schwereren Reifen will man sich auch nicht einfach nur bewegen und Spaß haben, sondern ein richtiges Fitnesstraining absolvieren und dabei abnehmen. Deshalb haben die Reifen oft Noppen oder Wellen, um die Durchblutung am Bauch besonders intensiv anzuregen.

Instagram und YouTube sind mittlerweile voll mit Videos über das ‚Hoopen‘ oder ‚Hullern‘. Da gibt es Videos für Anfänger, die erstmal lernen wollen, wie der Reifen überhaupt oben bleibt. Und natürlich Unmengen an Videos für alle, die den Reifen nicht immer nur einfach kreisen lassen wollen.

Was kann man mit Hula Hoop erreichen?

In der Werbung heißt es, Hula Hoop sei gut, um abzunehmen, eine schmale Taille zu bekommen, gut für die Bauchmuskulatur und einige sagen auch, gut für den Beckenboden. Das macht das Training mit dem Reifen für Frauen und besonders für junge Mütter sehr attraktiv. Gerade nach Schwangerschaft und Geburt wollen viele Frauen möglichst schnell wieder schlank und fit sein. Außerdem macht das Hullern den meisten viel Spaß.

Die Studienlage ist allerdings bisher eher dünn. Eine Studie von 2019 hat untersucht, https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC6758714/ wie sich Hula Hooping mit einem Gewichtsreifen im Vergleich zu Walken auf Bauchfett, Bauchmuskulatur und Blutfettwerte von Teilnehmerinnen mit Übergewicht auswirkt. Eine Gruppe trainierte zuerst für 6 Wochen täglich ca. 13 Minuten mit dem Reifen und machte anschließend für 6 Wochen Walking mit täglich ca. 10.000 Schritten, die andere Gruppe startete mit dem Walken. Der verwendete Reifen wog 1,5 kg. Es ließ sich feststellen, dass es durch das Training mit dem Hula Hoop zu einer stärkeren Reduzierung von Bauchfett kam, als durch das Walken und es außerdem zu einer größeren Zunahme der Rumpfmuskulatur und Abnahme des Taillenumfangs durch den Hullern kam. Walking senkte den Blutdruck nachweislich, während das Hullern das LDL Cholesterin positiv beeinflusste.

Auch diese Studie von 2015 https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/25268284/ stellte eine Reduzierung von Bauch- und Hüftumfang durch das Training mit dem Gewichts-Hula Hoop fest.

Eine schmalere Taille und kräftigere Rumpfmuskulatur (d.h. Bauch- und Rückenmuskulatur) sind also tatsächlich und nachweislich durch das Hullern zu erreichen. Abnehmen passiert dabei jedoch nicht automatisch. Zwar ist der Energieverbrauch bei einer halben Stunde Training mit 300 – 500 kcal angegeben, vermutlich abhängig vom Reifen und von der Geschwindigkeit des Kreisens, aber Abnehmen funktioniert nur, wenn man in ein Kaloriendefizit kommt, das heißt, die Ernährung spielt hierbei eine große Rolle.

In Trainingsvideos werden oft Schritte, Squats und Armbewegungen mit dem Hullern kombiniert, wodurch es dann sicher auch zu einer gewissen Kräftigung von Arm- und Beinmuskulatur kommen kann. Die allgemeine Ausdauer wird vermutlich auch etwas trainiert, abhängig von der Dauer und Intensität des Trainings, hierfür sind aber sicherlich Radfahren oder Schwimmen effektiver.

Und was ist mit dem Beckenboden?

Das wurde bisher leider noch nicht genauer untersucht. Das heißt, hier kann ich nur versuchen zu übertragen, was aus anderen Studien bekannt ist und was sich durch meine Erfahrung und die Berichte von anderen Frauen sagen lässt.

Was wir wissen ist, dass der Beckenboden normalerweise automatisch auf Belastung, bzw. auf eine Druckerhöhung im Bauchraum reagiert und entsprechend seine Aktivität anpasst und erhöht. Das muss er den ganzen Tag über in vielen Situationen tun, beim Aufstehen vom Sitzen, Heben und Tragen, Husten und Niesen und natürlich auch beim Sport.

‚Normalerweise‘ heißt allerdings, dass er das nur macht, wenn er fit ist. Wenn eine Beckenbodenschwäche besteht, dann kann er den nötigen Druckausgleich nicht ausreichend gewährleisten und der Druck aus dem Bauchraum schiebt die Beckenorgane und den Beckenboden mehr oder weniger stark nach unten. Das ist nicht in jedem Fall durch Symptome wie Urinverlust oder Druckgefühl spürbar. Wer solche Symptome hat oder weiß, dass eine Schwäche vorhanden ist, sollte also vorsichtiger beim Start des Trainings sein und lieber vorher gezielt den Beckenboden trainieren, bis er dieser Belastung gewachsen ist.

Das bedeutet eben auch, dass Hullern definitiv kein Ersatz für einen Rückbildungskurs ist! Es sollte auch nicht zu früh nach einer Geburt mit dem Hula Hoop gestartet werden. Rückbildung braucht auch dann Zeit, wenn keine offensichtlichen Probleme vorhanden sind, da sich die Bänder der Gebärmutter erst wieder verkürzen und stabilisieren müssen und besonders während der Stillzeit das Bindegewebe insgesamt noch weicher ist.

Es gibt hier allerdings so große Unterschiede zwischen jungen Müttern, dass ich auch nicht sagen kann, dass jede nach 9 Monaten oder einem Jahr bedenkenlos loslegen kann. Wer sich nicht sicher ist, wie fit der Beckenboden ist, sollte das im Idealfall vorher abklären und untersuchen lassen.

Bei einer Geburt mit Kaiserschnitt wird zwar der Beckenboden nicht ganz so belastet wie bei einer vaginalen Geburt, die Belastung durch die Schwangerschaft und die veränderte Hormonlage nach der Geburt bestehen aber genauso. Zudem ist ein Kaiserschnitt ja eine Bauch-OP, bei der die Heilungsphasen unbedingt auch beachtet werden sollten und ebenfalls nicht zu früh mit dem Hula Hoop angefangen werden sollte. Die Rückbildung braucht auch hier Zeit und der Beckenboden kann trotzdem geschwächt sein. Auch die Narbe braucht unter Umständen erst mal ein bisschen Pflege.

Wann ist es okay anzufangen?

Voraussetzung ist, dass man seinen Beckenboden möglichst gut spüren und aktivieren kann und auch keine Senkungsneigung oder Inkontinenz besteht. Bei solchen Beschwerden braucht es eben erst eine gezielte Behandlung und dann muss individuell entschieden werden, ob Hullern gerade der richtige Sport ist.

Wenn eine Schwäche besteht, ist das Hullern nämlich durchaus trotzdem möglich. Nur entsteht dabei eben Druck im Bauchraum, der sich nach unten auswirkt. Und für manche Betroffene fühlt sich dieser Druck anfangs vielleicht sogar so an, als wäre der Beckenboden aktiv. Bei einer Schwäche ist meist auch die Wahrnehmung schlechter, so dass sich nicht so leicht Druck von Aktivität unterscheiden lässt.

Was wir auch wissen, ist, dass unser Beckenboden auch nicht mehr ausreichend gut arbeitet, wenn die Belastung für uns zu hoch wird. In vielen Studien an Sportlerinnen wurde festgestellt, dass eine insgesamt hohe Fitness und Kraft nicht bedeuten, dass auch der Beckenboden immer kräftiger wird. Dazu empfehle ich euch meine anderen Beiträge zu diesem Thema zu lesen.

Wenn der Beckenboden fit ist und gut mit Belastungen klar kommt, kann also theoretisch angefangen werden.

Was ist, wenn eine Rektusdiastase vorhanden ist?

Zum Thema Rektusdiastase habe ich bereits einen extra Beitrag geschrieben, kurz möchte ich aber auch hier noch mal darauf eingehen. Eine Rektusdiastase besteht dann, wenn nach der Geburt der Abstand zwischen den beiden geraden Bauchmuskeln mehr als zwei Zentimeter beträgt. Wichtiger als der Abstand ist jedoch, ob die Faszie dahinter bei Aktivität der Bauchmuskulatur Spannung aufbauen kann und/oder ob es zu einem verstärkten Vorwölben des Bauches in diesem Bereich kommt.

Es ist auch möglich zu hullern, ohne die Bauchmuskulatur wirklich anzuspannen und es kommt immer wieder (auch bei anderen Aktivitäten) dazu, dass der Druck aus dem Bauchraum von der Bauchmuskulatur nicht abgefangen wird, sondern der Bauch sich nach vorne schiebt und wölbt. Das kann mit oder ohne Rektusdiastase passieren. Wenn die Bauchmuskulatur nicht optimal aktiviert wird, fehlt auch hier der Druckausgleich, was zum Beispiel auch bei Rückenbeschwerden eine Rolle spielen kann.

Bei einer Rektusdiastase ist Hullern also nicht automatisch hilfreich.

Worauf kommt es an?

Beim Training mit dem Hula Hoop werden die Bauch- und Beckenbodenmuskeln also nicht immer automatisch optimal aktiviert. Das bedeutet, dass man für sich überprüfen sollte, ob die Muskeln gut aktiv sind oder ob sie sich zumindest gut bewusst aktivieren lassen. Bei einer Schwäche ist dann natürlich die nächste Frage, wie lange dieses bewusste Anspannen möglich ist.

Ein guter Stand ist ebenfalls wichtig. Leicht gebeugte Knie, dynamisch aktive Haltung. Entweder in leichter Grätsche oder Schrittstellung. Wer sich für die Schrittstellung entscheidet, sollte diese abwechseln, genau wie im Idealfall nicht immer nur in die selbe Richtung gekreist werden sollte. Zur Anleitung finden sich viele Videos auf YouTube.

Atmen sollte während des Hullerns durchgehend gut möglich sein und auch nach einigen Minuten Training sollte sich der Bauch nicht nach vorne schieben und der Beckenboden weiterhin aktiv sein. Wer gepresst atmet, erzeugt mehr Druck im Bauchraum.

Zusätzlich zum einfachen Kreisen können mit der Zeit verschiedene Dinge ausprobiert werden, wie Kniebeugen, Schritte, Drehungen, Armbewegungen und so weiter. Auch dazu findet man Online viele Anregungen.

Wann sollte man auf das Hullern verzichten?

Kontraindikationen für Hula Hoop gibt es durchaus, wobei im Zweifelsfall individuell entschieden werden muss, ob, wie und ab wann ein Training möglich wäre.

Dass Hullern in der Schwangerschaft nur zu Beginn gemacht werden sollte, erklärt sich vermutlich von selbst und ich kann mir kaum vorstellen, dass es ab dem 2. Trimester noch sonderlich angenehm wäre. Ein Senkungs- oder Druckgefühl im Beckenbodenbereich und Inkontinenz, besonders auch beim Hullern, sind für mich ebenfalls Kontraindikationen und sollten ärztlich abgeklärt und im Idealfall auch gezielt behandelt werden. Auf die Beckenbodentherapie spezialisierte Physiotherapeut*innen findet man unter http://www.ag-ggup.de/therapeutenliste.

Frische Narben, ein Nabelbruch oder Bauchwandhernien und ein frischer Gelenkersatz z.B. in der Hüfte sind weitere Kontras, ebenso wie eine instabile Rektusdiastase.

Bei Rückenschmerzen würde ich ganz klar sagen – es kommt darauf an. Auf die Ursache der Schmerzen, auf das Zusammenspiel der Muskulatur, auf die Ausführung des Hullerns und sicherlich auch darauf, was für ein Reifen verwendet wird, also vor allem, wie schwer er ist.

Wer Medikamente zur Blutverdünnung einnimmt, sollte ebenfalls sehr vorsichtig starten, gerade die Gewichtsreifen können hier Probleme machen. Eine ärztliche Abklärung empfehle ich in diesem Fall unbedingt.

Hämatome kommen häufiger als Folge des Hula Hoop vor und auch Rippenbrüche scheint es hin und wieder zu geben. Eine Osteoporose kann also ebenfalls eine Kontraindikation darstellen.

Was für ein Reifen ist zu empfehlen?

Bitte den Reifen nicht übermotiviert wählen! Lieber einen etwas leichteren wählen und insgesamt, denke ich, reicht ein Gewicht von 1,2 kg für die allermeisten völlig aus. Reifen mit Noppen können am Anfang zu blauen Flecken am Bauch führen, auch wenn keine Blutverdünner eingenommen werden. Die empfohlene Reifengröße wird von den Herstellern sehr unterschiedlich angegeben und auch die Trainer*innen auf YouTube sind sich da nicht ganz einig. Oft ist das Training mit einem größeren Reifen einfacher, weil er leichter schwingt, genau wie ein Reifen mit etwas Gewicht.

Tanzreifen werden mit einem anderen Ziel verwendet. Hier geht es nicht in erster Linie darum fit und schlank zu werden, auch wenn ich mir vorstellen kann, dass das Training mit dem Tanzreifen ähnliche Effekte hat, wie mit den Gewichtsreifen.

Wenn man Videos sieht, in denen der Hula Hoop auch um die Arme, die Beine, den Hals oder sogar den Po kreist, wenn gleichzeitig mit mehreren Reifen gehoopt wird, dann wird das mit den klassischen, leichteren Tanzreifen gemacht. Hier sind die Möglichkeiten der Verwendung größer und auch dazu gibt es zahlreiche Videos auf YouTube zu finden.

Fazit

Hula Hoop ist ein Trend, der vielen Spaß macht, mit dem man tatsächlich etwas für die Fitness tun kann und der sich postitiv auf die Gesundheit auswirken kann. Es kommt jedoch nicht automatisch zu einer Kräftigung der Beckenbodenmuskulatur und eine korrekte Aktivierung der Bauchmuskulatur passiert auch nicht immer von alleine. Im Zweifelsfall also Risikofaktoren vorher abklären und bei Bedarf erst gezielt Beckenboden- und Bauchmuskulatur trainieren und aktivieren lernen.

Wenn das alles passt, dann wünsche ich viel Spaß beim Hullern und Hoopen!

Sind noch Fragen offen? Hast du sonst Anmerkungen oder etwas, dass du mir mitteilen möchtest? Dann schreib mir gerne einen Kommentar!

Lucia Sollik / Physiotherapeutin / Beckenbodentherapie

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Veröffentlicht von beckenbodenphysiolucy

Ich bin Physiotherapeutin, spezialisiert auf die Beckenbodentherapie und arbeite angestellt in einer Praxis.

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