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Frauen – unser Körper zwischen Emanzipation, Schönheitsvorstellungen und Scham

Heute möchte ich über ein paar Dinge schreiben, die ich in der Therapie und in meinen Präventionskursen immer wieder beobachte und die mich ins Grübeln bringen.

Selbst ist die Frau!

Als Kind der Achtziger ist die Emanzipation für mich fast eine Selbstverständlichkeit. Natürlich können Frauen alles, was Männer auch können! Natürlich sind wir genauso viel wert! Selbst ist die Frau! Dass in unserer Gesellschaft auch heute noch Frauen nicht gleichberechtigt behandelt werden, wir immer noch über Frauenquoten sprechen, Frauen nach wie vor schlechter bezahlt werden und ‚Frauenberufe‘ generell nicht so hoch angesehen sind, zeigt, dass wir hier noch einen weiten Weg vor uns haben.

Gleichberechtigung – dürfen heißt nicht müssen

Seit ich mich mit der Beckenbodentherapie beschäftige, kommt für mich noch ein weiterer Aspekt dazu. Wir Frauen haben meist durchaus das Gefühl, dass wir alleine alles meistern können und viele von uns fragen ungern nach Hilfe, um nicht zu suggerieren, wir wären nicht genauso gut wie die Männer. Was wir dabei manchmal übersehen und ignorieren, sind unsere unterschiedlichen körperlichen Voraussetzungen. Rückenprobleme betreffen sowohl Männer als auch Frauen. Mehr Bewegung und mehr Kraft sind hierfür hilfreich. Im Bereich des Beckenbodens und der Beckenorgane sind wir Frauen für Probleme allerdings anfälliger. Schweres Heben und Tragen, besonders wenn Risikofaktoren wie eine Bindegewebsschwäche, Geburtsverletzungen oder eine Senkungsneigung vorhanden sind, können zu einer Organsenkung oder Inkontinenz beitragen. Die Frage sollte also nicht sein, ob ich es schaffe den 30-Kilo-Sack Erde, den Umzugskarton mit den Büchern oder die Getränkekiste zu schleppen, sondern ob es mir möglicherweise schadet. Männer können uns da manchmal ein Vorbild sein. Manch ein Mann hebt konsequent nichts Schweres mehr wegen eines Bandscheibenvorfalls der 20 Jahre her ist. Gleichberechtigung finde ich wichtig. Das sollte aber nicht bedeuten, dass jeder dasselbe machen muss, sonders dass jeder es machen darf.

Äußerlichkeiten

So richtig zufrieden sind wir Frauen selten mit unserem Körper. Fast jede Frau ist mit ihrem Aussehen unzufrieden. Die Selbstwahrnehmung scheint oft deutlich negativer, als die Wahrnehmung Außenstehender. Da wird ein Kompliment wie ‚Gut siehst du aus!‘ schnell abgewiegelt mit einem ‚Ach, ich hab schon wieder zugenommen.‘ Wird der Blickwinkel verändert, ändert sich oft auch die Wahrnehmung. Beim Betrachten älterer Fotos stellt manch eine Frau fest, dass sie damals doch deutlich schlanker, sportlicher oder hübscher aussah, als sie sich damals wahrgenommen hat. Mit dem Älter werden müssen wir lernen zu akzeptieren, dass sich unser Körper verändert. Das ist nicht leicht, besonders wenn so mancher Star mit Hilfe von Schönheitsoperationen mit fünfzig aussieht wie dreißig und mit siebzig wie Mitte vierzig. Wer mit seinem Aussehen unzufrieden ist, sollte vielleicht versuchen herauszufinden, warum das so ist. Fühlt man sich tatsächlich nicht wohl oder wirkt es sich negativ auf die Gesundheit aus? Oder entsteht nur im Vergleich mit anderen der Eindruck, man müsste anders aussehen oder anders sein?

Bauchgefühle und Darmprobleme

Immer wieder erwähnen Frauen in der Behandlung, dass sie sich unwohl fühlen, wenn sie viel gegessen haben oder gar Blähungen haben, jedoch nicht wegen des Völlegefühls oder Druck im Bauch sondern, weil ihr Bauch dann so dick aussehe. Besonders junge, schlanke Frauen haben damit Probleme. Dieses Gefühl immer schön und schlank sein zu wollen/müssen, führt manchmal aber zu weiteren Problemen.

Essstörungen gehören dazu und sollten unbedingt ernst genommen und behandelt werden. Dauernde Diäten können zum Beispiel den Stoffwechsel und die Verdauung nachhaltig stören. Hier sind Hausarzt oder Hausärztin erste Ansprechpartner, der bei Bedarf zu Fachleuten wie Psycholog*innen oder auch Ernährungsberater*innen weiterleiten kann.

Wer unter Nahrungsmittelunverträglichkeiten leidet, braucht ebenfalls Hilfe, um möglichst schnell herauszufinden, auf welche Stoffe er reagiert und um sich möglichst bald wieder ausgewogen ernähren zu können. Das ist für Betroffene oft ein weiter Weg. Wer gelegentlich unter Blähungen oder Durchfall leidet, denkt eventuell gar nicht über eine Unverträglichkeit nach. Wenn Symptome aber immer wieder auftreten oder unerklärlich und belastend sind, ist es wichtig, dem auf den Grund zu gehen. Laktose, Fructose, Histamin, Gluten, Foodmaps – die Liste der Nahrungsbestandteile, auf die Menschen reagieren können ist lang. Jeder Darm ist, so wie jeder Mensch, verschieden und verträgt unterschiedliche Nahrungsmittel unterschiedlich gut. Auch hier ist sind Hausarzt oder -ärztin die ersten Ansprechpartner und können bei Bedarf weitere Maßnahmen einleiten.

Atmung – bis in den Bauch

Was mir ebenfalls immer wieder begegnet sind Frauen, die Schwierigkeiten mit der Bauchatmung haben. (Über den Zusammenhang zwischen Atmung und Beckenboden habe ich einen weiteren ausführlicheren Artikel geschrieben.) Eine entspannte und tiefe Atembewegung sollte nicht nur im Brustkorb oder Oberbauch stattfindet sondern auch bis in den Unterbauch sicht- und spürbar sein. Wer aber immer darauf bedacht ist, sich aufrecht zu halten und das Motto ‚Bauch rein, Brust raus‘ verinnerlicht hat, lässt oft unbewusst keine Bewegung im Bauch zu. Das Erlernen der Bauchatmung und das Zulassen von Bewegung im Bauch, die diesen ‚größer aussehen‘ lässt, ist für manche Frau eine der schwersten Übungen in der Therapie.

Mein Körper – das bin ich, von Kopf bis Fuß

In meinen Kursen und in der Therapie gebe ich Frauen oftmals den Tipp, selbst durch tasten oder beobachten mit einem Spiegel zu testen, ob der Beckenboden korrekt aktiviert wird. Sicht- und tastbar sollte ein Schließen und Heben sein. Nach einem Dammschnitt oder bei Schmerzen im Beckenbodenbereich kann es zudem hilfreich sein, sich selbst mit Massagetechniken zu behandeln. Doch einige Frauen können das nicht. Sie fassen sich ‚dort unten‘ ungern an und manche haben ihren Genitalbereich noch nie selbst gesehen. Über die Gründe dafür zu sprechen, ist im Rahmen der Physiotherapie selten möglich. Kolleg*innen mit Zusatzausbildungen im Bereich der Psychosomatik und im Bereich der Sexualtherapie, sind hierfür auch im Rahmen der Physiotherapie gute Ansprechpartner*innen. Manche Frauen empfinden es auch nicht als problematisch, dass sie mit einem Teil ihres Körpers nicht gut bekannt sind. Wer es als Problem empfindet, sollte mit einem Arzt darüber sprechen und sich im Idealfall Hilfe bei einer Sexualtherapeutin oder einem Sexualtherapeuten suchen.

Worauf ich mit diesem Artikel hinaus will? Ich möchte ein Reflektieren darüber anregen, wie wir Frauen mit uns und unserem Körper umgehen. Er ist überaus leistungsfähig, nicht nur wenn wir ein Kind zur Welt bringen. Deshalb sollten wir auch nicht zu kritisch mit ihm sein und uns gut um ihn kümmern.

Lucia Sollik Physiotherapeutin Beckenbodentherapie

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Veröffentlicht von beckenbodenphysiolucy

Ich bin Physiotherapeutin, spezialisiert auf die Beckenbodentherapie und arbeite angestellt in einer Praxis.

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