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Geburtsverletzungen Teil 2

Was für Geburtsverletzungen gibt es? Was kann man tun, um größere Verletzungen möglichst zu vermeiden? Und was kann man tun, wenn man eine Verletzung oder ein Trauma bei der Geburt erlitten hat?

Kleinere Geburtsverletzungen

Leichtere Verletzungen wie ein kleinerer Dammriss oder Dammschnitt sind nahezu normal bei einer Geburt. Aber der Grad der sichtbaren Verletzung sagt nichts darüber aus, wie gut eine Frau damit zurecht kommt. Auch ein Dammschnitt kann ein traumatisches Erlebnis sein, sei es, weil er zusätzliche und unerwartete Schmerzen bereitet hat, sei es, weil er vorher nicht gut kommuniziert wurde oder weil die Naht hinterher Probleme macht. Nach wie vor gibt es leider Ärzte und Ärztinnen, die es beim Nähen ‚besonders gut‘ meinen und die Naht ein wenig enger machen. Das kann zu Schmerzen beim Geschlechtsverkehr führen und ergibt auch sonst nicht viel Sinn. Zwar ist oftmals nach einer Geburt die Vagina weiter als zuvor, es fehlt anfangs vielleicht ein wenig von der nötigen Reibung beim Geschlechtsverkehr, aber das liegt an der Dehnung der Strukturen und bessert sich oft in der Rückbildungszeit von alleine. Wenn nicht, dann braucht es Beckenbodenkräftigung, denn alleine ein engerer Eingangsbereich reicht nicht für mehr Wahrnehmung und Durchblutung. Von einer besseren Funktion und guter Kraft profitieren dann beide Partner.

Wer mit einer Dammnaht Probleme hat, kann die Narbe regelmäßig massieren, am besten von innen und außen. Narbengewebe braucht Zug und Druck, damit das einfache Bindegewebe, aus dem jede Narbe erstmal aufgebaut wird, Stück für Stück in elastischeres Bindegewebe umgebaut wird. Dafür ein möglichst neutrales Öl nehmen, wer vor der Geburt ein Dammmassageöl verwendet hat, kann gut auch dieses verwenden.

Die Wahrnehmung ist nach der Geburt oft schlecht

Bei jeder vaginalen Geburt wird der Nervus Pudendus überdehnt. Das ist normal und fast immer erholt er sich wieder gut. Je nachdem wie lange die letzte Geburtsphase gedauert hat und wie groß das Kind war, kann das unterschiedlich lange dauern. Wer sich aber gewundert hat, dass am Anfang der Rückbildungszeit und auch bei der Rückbildungsgymnastik der Beckenboden kaum wahrnehmbar und die Ansteuerung schwierig war, das lag vermutlich an dieser Überdehnung. Mit leichten Übungen zur Unterstützung der Rückbildung sollte man zwar möglichst bald beginnen, aber einen Kurs bereits in der 6. Woche nach der Geburt zu starten, ist für viele Frauen eigentlich zu früh.

Geburtsphasen und Geburtspositionen

Eine Geburt wird in verschiedene Phasen unterteilt. Die Eröffnungsphase ist die längste Phase. In dieser Zeit werden die Frauen meist aufgefordert sich viel zu bewegen, anfangs vielleicht noch spazieren zu gehen, manchmal geht es in die Badewanne und es werden in dieser Phase auch oft die in der Geburtsvorbereitung gelernten Techniken angewandt. Wenn diese Phase sehr lange dauert oder sehr kräftezehrend ist, fehlt den Frauen für die Geburts- bzw. Austreibungsphase oft die Kraft, so dass immer noch sehr viele Frauen ihr Kind in der Rückenlage zur Welt bringen. In der Eröffnungsphase unterstützten Bewegung, Atmung und die Schwerkraft die Wehen in ihrer Arbeit den Muttermund zu öffnen. In der Geburtsphase wären Bewegung und Lagewechsel auch wichtig, um dem Kind den Weg durch das Becken zu erleichtern. Auf dem Rücken liegend können sich das Kreuzbein und das Steißbein nicht viel bewegen. Wenn die Kraft aber zu diesem Zeitpunkt nicht mehr ausreicht, um eine aufrechte Geburtsposition oder den 4-Füßler-Stand einzunehmen, dann sollte zumindest die Seitenlage angestrebt werden.

Die meisten Frauen besuchen einen Geburtsvorbereitungskurs – zumindest, wenn sie einen Platz ergattern. Das wird zunehmend schwieriger, weil es vielerorts zu wenig Hebammen gibt. In den Kursen werden Geburtspositionen besprochen, die Atmung geübt und die Männer lernen, wie sie zur Entlastung die Kreuzbeine ihrer Frauen massieren können. Ich empfehle, diese Tipps und Übungen bis zur Geburt immer wieder zu wiederholen und wirklich zu üben. Atmung klingt leicht, bis die Wehen tatsächlich da sind. Die verschiedenen Gebärpositionen klingen toll, aber ohne sie immer wieder auszuprobieren, weiß man zum einen nicht, welche einem wirklich angenehm sein könnten und kann sie in der Ausnahmesituation der Geburt oft nicht mehr abrufen. Was man also vorher tun kann, ist üben.

Manchmal ist die Rückenlage leider nicht vermeidbar und manchmal braucht ein Kind auch Hilfe, um das letzte Stück Weg zu schaffen. Dann kann es sein, dass die Geburtszange, die Saugglocke oder auch der Schub vom Oberbauch, der Kristellergriff, notwendig sind. Leider ist bei diesen Techniken die Gefahr von Geburtsverletzungen für die Frau deutlich erhöht.

Größere Verletzungen

Es kann bei einer Geburt, mit oder ohne Einsatz von Saugglocke oder Zange, auch zu größeren Verletzungen kommen. Größere Dammrisse, die im schlimmsten Fall auch den Schließmuskel des Afters betreffen, Verletzungen der Symphyse oder des Steißbeins, Abrisse von Teilen der Beckenbodenmuskulatur, Verletzung von Bändern, die Harnröhre, Blase oder Gebärmutter stabilisieren. Über solche Folgen wird nicht gerne gesprochen. Aber sie passieren leider immer wieder. Manchmal entstehen sie, weil das Kind besonders groß ist, manchmal durch den Einsatz von Saugglocke oder Zange, oft sind sie schlecht vorhersehbar. Niemand möchte einer werdenden Mutter Angst machen, aber zumindest muss der Arzt mittlerweile bei einem zu erwartenden Geburtsgewicht von mehr als 4000 g die Mutter über die Möglichkeit eines Kaiserschnittes aufklären.

Besser ein Kaiserschnitt?

Ein Kaiserschnitt kann manchmal für die Frau die bessere Lösung sein, um größere Verletzungen zu vermeiden. Aber ein Kaiserschnitt ist ein operativer Eingriff und birgt natürlich auch Risiken. Bei einem Notkaiserschnitt hat man keine Wahl. Bei einem geplanten Kaiserschnitt wird man über die Risiken aufgeklärt.

Auch durch einen Kaiserschnitt kann eine Frau Probleme haben. Die Narbe kann schmerzen oder fest sein, der Beckenboden kann durch die Schwangerschaft geschwächt sein, die Atmung und die Bauchmuskulatur können Probleme machen. Deshalb ist ein Rückbildungskurs nach einem Kaiserschnitt genauso wichtig, wie nach einer vaginalen Geburt.

Wer eine Geburtsverletzung oder ein Trauma erlitten hat, braucht Hilfe. Auch psychische Belastungen und Problemen müssen unbedingt ernst genommen werden. Ansprechpartner gibt es in vielen Kliniken und Hebammen und Gynäkolog*innen können ebenfalls helfen. Manchmal ist eine psychologische Betreuung notwendig und sollte dann auch unbedingt in Anspruch genommen werden.

Bei Problemen Hilfe suchen

Wer eine Geburtsverletzung erlitten hat, braucht manchmal mehr Unterstützung, als ein normaler Rückbildungskurs bieten kann. Dann wäre es sinnvoll zu einer auf Beckenbodentherapie spezialisierten Physiotherapeutin (oder einem Physiotherapeuten) zu gehen. Auf der Seite http://www.ag-ggup.de/therapeutenliste kann man diese zum Beispiel finden. Als erste Maßnahme, ob nach der Rückbildung, anstatt oder auch Jahre später, wenn Probleme dann erst auftreten, sollte die Physiotherapie stehen. Egal ob das Problem eine Inkontinenz, eine Organsenkung, Schmerzen oder etwas anderes ist. Die Wahrnehmung lässt sich über Übungen verbessern. Gezielte Kräftigung ist in jedem Fall hilfreich und sinnvoll. Wenn das nicht ausreicht, ist zusätzlich Elektrotherapie möglich, mit einem Gerät, dass der Arzt für zu Hause verordnen kann. Nach einer schweren Geburt kommt es immer wieder zu Organsenkungen. Oft bilden diese sich in der Rückbildungszeit von selbst zurück, wenn nicht, kann eine Pessartherapie unterstützend hilfreich sein. Wenn alle diese Maßnahmen auch nach längerer Zeit nicht ausreichen, ist manchmal eine Operation notwendig. Das sollte aber nie die erste Option sein.

Über die Möglichkeiten der Beckenbodentherapie werde ich ein anderes Mal ausführlicher schreiben. Eine Therapie, persönlich bei einer Physiotherapeutin, kann durch Tipps aber nie ersetzt werden. Und das tägliche Üben zu Hause ist sowieso unumgänglich.

Meine eigenen Erfahrungen

Meine eigenen Kinder habe ich geboren, bevor ich angefangen hatte, mich mit der Beckenbodentherapie zu befassen. Meine Ausbildung lag schon einige Zeit zurück und in der Ausbildung war der Beckenboden kaum Thema. Ich besuchte einen Geburtsvorbereitungskurs, der auch gar nicht schlecht war. Ich hatte das Gefühl, als Physiotherapeutin ja auch ein durchaus gutes Körpergefühl zu haben. Das hat mich jedoch alles nicht davor bewahrt selbst eine Geburtsverletzung davonzutragen. Warum? Da kamen mehrere Faktoren zusammen. Ich war über dem Termin. Mein Gynäkologe löste bei einer Untersuchung den Eipol. Das kann Wehen auslösen. Am nächsten Morgen platzte die Fruchtblase und die Wehen gingen los. Allerdings im Minutentakt. Das blieb so bis zum Schluss. Verschnaufpausen gab es also nicht wirklich. Dafür ging es erstmal ziemlich schnell voran. Während der Eröffnungsphase sollte ich viel stehen. Dann hatte ich irgendwann keine Kraft mehr und wehrte mich nicht gegen die Rückenlage. Jetzt weiß ich, dass ich in einer anderen Lage vielleicht weniger Schmerzen im Rücken gehabt hätte. Meine Kinder waren außerdem beide sehr groß. Über 4120g und 4340 g. Kopfumfang jeweils 37 cm. Wahrscheinlich hat alles zusammen zu der Verletzung geführt. Der Dammschnitt hatte die ersten Monate Probleme gemacht, die Massage hatte mir da gut geholfen. Rückbildung hatte ich gemacht, aber die Ansteuerung fiel anfangs schwer. Und beim Husten und später im Trampolin musste ich aufpassen, dass ich keinen Urin verlor. Warum erfuhr ich erst später. Ein Teil meiner Beckenbodenmuskulatur war bei der Geburt abgerissen. Der Rest meiner Muskulatur kann das mittlerweile gut kompensieren. Aber der Riss bleibt. Von außen nicht sichtbar. Joggen ist weiterhin eine Belastung, die mir schnell unangenehm wird. Aber ich weiß von mir selbst, dass das Training der Beckenbodenmuskulatur etwas bringt. Und ich übe weiterhin fleißig mit meinen Patientinnen mit.

Lucia Sollik Physiotherapeutin Beckenbodentherapie

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Mehr Informationen zu Studien und Hintergründen finden sich hier: https://beckenbodenphysiotherapielucyreport.news.blog/2020/11/29/fur-alle-die-es-genauer-wissen-wollen-oder-was-sagen-eigentlich-studien-dazu-teil-1/

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Veröffentlicht von beckenbodenphysiolucy

Ich bin Physiotherapeutin, spezialisiert auf die Beckenbodentherapie und arbeite angestellt in einer Praxis.

Ein Kommentar zu “Geburtsverletzungen Teil 2

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